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Gemeinsame Information der Ärztekammer Westfalen-Lippe und des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen zum ärztlichen Gebührenrecht und zum Beihilfenrecht
Runderlass des Finanzministeriums vom 10.07.2000; B 3100 – 3.1.6 – IV A 4
Nach den Beobachtungen der Beihilfefestsetzungsstellen ist verstärkt festzustellen, daß das „Dreiecksverhältnis" Patient-Arzt-Beihilfe zu Mißverständnissen über die gegenseitigen Rechte und Pflichten führt. Insbesondere bei zusätzlicher Einschaltung von Abrechnungsun-ternehmen treten vermehrt Schwierigkeiten auf, indem den Beihilfestellen häufig Schreiben vorgelegt werden, in denen diesen unter Hinweis auf überholte Rechtsprechung das Recht auf rechtliche und inhaltliche Überprüfung der Liquidationen abgesprochen wird. Dies gibt Anlaß zu folgenden klarstellenden Hinweisen:
1. Allgemeines
Zunächst ist festzustellen, daß es sich bei dem mit einem Arzt abgeschlossenen privaten Behandlungsvertrag regelmäßig um einen Dienstvertrag nach § 611 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) handelt. Der Pflicht zur Leistung der Dienste steht die Pflicht zur Zahlung der Vergütung gegenüber. Die Vergütung wird fällig, wenn dem Zahlungspflichtigen eine Rech-nung erteilt wird, die der Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ - entspricht (§ 12 Abs. 1). In der Rechnung sind für jede erbrachte Leistung insbesondere das Behandlungsdatum, die zugehörige Nummer des Gebührenverzeichnisses mit einer Leistungsbeschreibung, die Gebühr und der Steigerungssatz anzugeben. Bei bestimmten Leistungen, insbesondere Visiten- und Bera-tungsleistungen, sind im Bedarfsfall Zeitangaben vorgeschrieben bzw. empfehlenswert. Strit-tige Leistungsziffern können bis zur Klärung der Sachlage zunächst von der Erstattung ausge-nommen werden.
2. Gebührenverzeichnisse
Das Gebührenverzeichnis der jeweils gültigen amtlichen GOÄ beschreibt diejenigen privat-ärztlichen Leistungen, die einen Anspruch auf Vergütung auslösen. Daneben können analoge Abrechnungen nur für solche selbständigen ärztlichen Leistungen vorgenommen werden, die nicht im Gebührenverzeichnis enthalten sind, weil sie bei dessen Erstellung noch nicht be-kannt bzw. allgemein anerkannt waren. Die vom Arzt vorgenommenen Analogbewertungen unterliegen - wie auch jede andere abgerechnete Leistung - in vollem Umfang der rechtlichen und sachlichen Überprüfung; Umgehungen der GOÄ-Leistungsbeschreibungen sind nicht zulässig. Unproblematisch sind hierbei die von der Bundesärztekammer veröffentlichten Analogempfehlungen. In der Rechnung müssen Analogbewertungen gekennzeichnet und verständlich beschrieben werden. Es kann davon ausgegangen werden, daß die Gebührenvorschriften in der Regel deutlich formuliert sind und von der Beihilfestelle wie auch ggf. von einem Gericht zutreffend ausgelegt werden können. Lediglich dann, wenn objektive Unklarheiten bzw. objektiv zweifelhafte Ge-bührenvorschriften Anlaß zu ernsthaft widerstreitenden Meinungen über die Berechtigung von Gebührenansätzen geben, muß der Dienstherr vor Entstehung der Aufwendungen, d.h. vor Inanspruchnahme der ärztlichen Leistungen, seine Rechtsauffassung (generell oder im Einzelfall) deutlich klarstellen, wenn er die Beihilfefähigkeit dieser Aufwendungen ausschließen oder beschränken will.
3. Gebührenbemessung
Die Gebühren für ärztliche Leistungen bemessen sich grundsätzlich nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Innerhalb dieses Rahmens hat der Arzt die Gebühr „nach billigem Ermessen" zu bestimmen. Dabei darf die Gebühr in der Regel nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes bemessen werden (bei bestimmten Leistungen tritt an die Stelle des 2,3fachen das 1,8fache bzw. das 1,15fache). Ein Überstreiten dieses Satzes (sog. Schwellenwert) ist nur zulässig, wenn Besonderheiten dies rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungs- und der Zivilgerichte ist dabei der Gebührenrahmen bis zum Schwellenwert für die überwiegende Anzahl der Behandlungsfälle vorgesehen, wobei der Ansatz des Schwellenwertes bereits einen am oberen Rand des Durchschnitts lie-genden Schwierigkeitsgrad oder Zeitaufwand voraussetzt. Insofern entspricht bereits der weit verbreitete schematische Ansatz des Schwellenwertes nicht der Regelungssystematik der GOÄ. Nur bei Besonderheiten, die bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der überwiegenden Anzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sind, ist das Überschreiten des Schwellenwertes bis höchstens zum Dreieinhalbfachen zulässig. Die Anwendung einer be-stimmten Behandlungsmethode allein rechtfertigt das Überschreiten des Schwellenwertes nicht; hinzukommen müssen Besonderheiten des Krankheitsfalles im Sinne von § 5 Abs. 2 GOÄ. Die Vereinbarung einer von der GOÄ abweichenden Vergütungshöhe ist grundsätzlich zuläs-sig; sie muß schriftlich erfolgen (Abdingung). Erstattungsfähig sind nach dem geltenden Bei-hilfenrecht in diesen Fällen aber nur die Gebühren bis zum 2,3fachen, bei Vorliegen der Vor-aussetzungen auch bis zum 3,5fachen. Weitergehende Erstattungen sind nicht möglich.
4. Begründungspflicht
Das Überschreiten des Schwellenwertes ist gem. § 12 Abs. 3 GOÄ für den Patienten „ver-ständlich und nachvollziehbar" zu begründen und zu erläutern. Diese Begründung muß für jede einzelne Leistung und so konkret und differenziert erfolgen, daß das Überschreiten - auch hinsichtlich des Umfangs - nachvollziehbar ist. Die bloße Angabe „besonders schwierig" oder „besonders zeitaufwendig" reicht dazu nicht aus; es muß vielmehr dargelegt werden, warum die Leistung gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der überwiegenden Anzahl der Behandlungsfälle besonders schwierig oder zeitaufwendig war. Aus der Begründung muß konkret erkennbar sein, aus welchem Grund ein besonderer Behandlungsaufwand erforderlich war und worin dieser bestand. Die Begründungspflicht ergibt sich im übrigen bereits aus § 242 BGB als Nebenverpflichtung aus dem Behandlungsvertrag. Von der Rechtsprechung wird dazu immer wieder darauf hin-gewiesen, daß die Sachverhalte substantiiert und nachprüfbar dargelegt werden müssen.
5. Prüfungspflicht der Beihilfestellen
Beihilfefähig sind nur die notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang, § 88 LBG. Dabei beurteilt sich die Angemessenheit der Aufwendungen für ärztliche Leistungen grund-sätzlich nach der GOÄ. Die Beihilfefähigkeit setzt voraus, daß die Rechnungsbeträge bei zu-treffender Auslegung der Gebührenordnung zu Recht in Rechnung gestellt worden sind. Hier-aus folgt, daß die Beihilfestellen verpflichtet (und damit auch berechtigt) sind, die sachliche Berechtigung der Gebührensätze im Hinblick auf ihre beihilfenrechtliche Angemessenheit zu überprüfen (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Diese Verpflichtung gilt zunächst zwar nur im Verhältnis zum Beihilfeberechtigten und wirkt sich nicht unmittelbar auf das Arzt-Patient-Verhältnis aus. Mit der Begründungspflicht als vertraglicher Nebenverpflichtung aus dem Behandlungsvertrag (§ 242 BGB) korrespondiert jedoch auch die Ne-benpflicht des Arztes, es dem Patienten zu ermöglichen, seine berechtigten Erstattungsan-sprüche durchzusetzen. Bei den Rechnungsbeanstandungen handelt es sich fast ausnahmslos um gebührenrechtliche Fragen, zu denen teilweise unterschiedliche Rechtsauffassungen bestehen, und nicht um Fra-gen des Beihilfenrechts. Dieses enthält nur wenige eigenständige Kürzungsvorschriften, die zudem das ärztliche Liquidationsrecht nicht berühren, wie z.B. die Nichterstattung der Aufwendungen für die Dienstunfähigkeitsbescheinigung (Nr. 70 GOÄ) und einige andere in der BVO oder der Verwaltungsvorschrift hierzu ausdrücklich erwähnte Sondertatbestände. Bei der Zweigleisigkeit des für Beamte und Versorgungsempfänger geschaffenen besonderen Krankheitskostenfürsorgesystems hat der Dienstherr als lediglich mittelbarer Kostenträger nur eingeschränkte Möglichkeiten, auf das Liquidationsverhalten des einzelnen Arztes Einfluß zu nehmen. Er kann dem Beihilfeberechtigten lediglich in besonders gelagerten Fällen von grundsätzlicher Bedeutung bei der gerichtlichen Klärung seiner Rechnungsangelegenheit Rechtsschutz gewähren und dem Verfahren als Streithelfer beitreten. Bei dem Umfang der inzwischen ergangenen Rechtsprechung kommt allerdings nur noch wenigen strittigen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung zu. Gebührenstreitigkeiten entstehen vielmehr weit überwiegend wegen der Liquidationshöhe. Zur Vermeidung von Eigenanteilen sollte daher vor aufwendigen und langfristigen Behandlungen die Kostenfrage mit dem Arzt erörtert wer-den.
6. Standardtarif
Soweit sich Beihilfeberechtigte bei ihrer privaten Krankenversicherung im Rahmen des sog. Standardtarifs nach § 257 Abs. 2 a SGB V versichert haben, darf für ärztliche Leistungen höchstens der 1,7fache (in Sonderfällen der 1,3fache bzw. 1,1fache) Steigerungssatz abgerechnet werden.
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